Sechs Jahrhunderte Mandolinenmusik  

von Franz Fellner

 1. Formen der Mandoline:

Vorformen der Mandoline stammen, wie alle lautenähnlichen Instrumente, aus dem Orient. Das Wort Laute kommt vom arabischen „Al-Ud“, was soviel bedeutet wie „das Holz“. Frühe mandolinenähnliche Instrumente waren: Quintern(e) oder Mandora (vgl. Virdung 1511, Agricola 1529), Mandörgen oder Mandörchen (vgl. Praetorius 1619). Mandora (griechisch, spanisch: bandurria) kommt etymologische  vom persischen „pandsch-târ“, was „5 Saiten“ bedeutet, worauf auch die Bezeichnung „Quinterne“ hinweist, obwohl die Quinterne bei Prätorius mit vier, bei Virdung mit elf Saiten abgebildet ist. Auch im Wort Gitarre steckt das persische bzw. Sanskrit-Wort für „Saite“ („tar“).Die Silbe „tar“ finden wir auch beim indischen Instrument Sitar (=“drei Saiten“). Als Vorform der modernen spanischen, portugiesischen und deutschen Flachmandoline (mit Zargen und relativ flachem Rücken) kann das „Cithrinchen“ die fünfchörige englische Diskantcister angesehen werden (vgl. „Klein Englisch Zitterlein“: Praetorius 1616). Die Bassform der Cister wurde in England als Pandora bezeichnet. (vgl. oben „pandsch-târ“). In Deutschland finden wir das ebenfalls fünfchörige „Hamburger Citringen“ (oder Zithrinchen; ab 1676). Gemischte Zupfinstrumenten-Besetzungen waren zu jener Zeit in England, aber auch in Spanien sehr populär.

Palblo Miguet e Yrol_ Reglas y advertencias_ Madrid 1754

 

Obige Aufzählung soll verdeutlichen, dass die Vielzahl von Begriffen keine eindeutigen Klassifizierungen zulässt und mit ein und demselben Terminus in unterschiedlichen Zeiträumen und Gegenden nicht notwendigerweise dasselbe Instrument gemeint ist. So bezeichnet der Begriff Mandola (ital.) bzw. Mandora (frz.)  in der Renaissance die vier- oder fünfchörige (Sopran-)Laute des Praetorius, in der Rokokozeit eine sechschörige Laute, die nach 1800 sogar in Gitarrenstimmung auftritt (vgl. die Mandolakonzerte von Albrechtsberger) und  benennt schließlich seit ca. 1880 im  Mandolinenorchester die oktavierend notierte nahe „Verwandte“ der modernen Mandoline.

Saiteninstrumente des 16. und 17. Jahrhunderts

Von der Vielzahl an Varianten welche die Mandoline in den vergangenen sechs Jahrhunderten durchlebte blieben im wesentlichen zwei Formen erhalten: 1.) Eine sechschörige Mandoline in Lautenstimmung (manchmal auch mit Einzelsaiten; vereinfachend oft als Barock-, Mailänder oder lombardische Mandoline bezeichnet); sie ist mit Darmsaiten bespannt und wird (wurde) mit den Fingern oder einem Federkiel gezupft. Man sollte die diversen Formen, die in diese Gruppe fallen, eigentlich als Sopranlauten bezeichnen. 2.) Die heute weitaus verbreitetere vierchörige neapolitanische Mandoline (heute chromumsponnene Stahlsaiten; früher mit Kirschholz oder Schildpatt, heute mit Kunststoffplektrum angeschlagen). Auch hier ist die begriffliche Trennung unscharf, da es die neapolitanische Variante natürlich nicht nur in Neapel und außerdem auch schon in der Barockzeit – damals noch mit Steckwirbeln und Darmbesaitung – gab.

2. Komponisten:

Bordoni klein

Die frühesten überlieferten Werke, die ausdrücklich für „Mandoline“ geschrieben wurden, entstanden ab 1650 (Agnolo Conti) und vermehrt um 1710 (Francesco Contini, Filippo Sauli). Die berühmten Werke Antonio Vivaldis für Mandoline – das Konzert für Mandoline, Streicher und b.c. in C-Dur, jenes für 2 Mandolinen in G-Dur sowie sein „Concerto con due Flauti, due Tiorbi, due Mandolini, due Salmo, due Violini in Tromba Marina (Trumscheit, Nonnengeige oder wegen des schnarrenden Tons auch Trompetengeige genannt) et un Violoncello“ (und Streichorchester) – entstanden zwischen 1730 und 1740 für das Ospedale della Pietà, dessen Mädchenorchester der „prete rosso“ leitete. Eine der Mandolinenspielerinnen war „Anna da Violin“, die in ganz Europa nicht nur als Stargeigerin berühmt war, sondern auch an Violoncello, Theorbe, Laute, Mandoline, Cembalo, Oboe und Viola d´amore brillierte . Wir wissen dies, weil Vivaldi in die Partituren die Vornamen der Musikerinnen eintrug. Ein weiteres wichtiges Werk der Barockzeit mit Mandoline ist das Oratorium „Alexander Ballus“ von Georg Friedrich Händel (London 1748). Die „neapolitanische Mandoline“ erlebte ihre erste Blütezeit ab etwa 1750 in Neapel. Alessandro und Domenico Scarlatti, Nicolo Piccini, Emanuelle Barbella und Carlo Cecere gehören in diesem Zusammenhang ebenso erwähnt, wie auch Johann Adolf Hasse, der ein „Concerto con mandolino obligato“ für seine  Frau, Faustina Bordoni, eine ausgezeichnete Sängerin und Mandolinenspielerin, schrieb.

Eine weitere Hochblüte erlebte die Mandoline im vorrevolutionären Paris, wo aus Italien eingewanderte Mandolinevirtuosen vorwiegend adelige Schülerinnen unterrichteten und u.a. einige für die damalige Spieltechnik außerordentlich aufschlussreiche Lehrwerke verfassten. Pädagogen, Virtuosen und Komponisten dieser Zeit waren Leone de Naples, Pietro Denis, Pietro Fouchetti und Giovanni Battista Gervasio.

Aus den Mandolineschulen von Fouchetti und Leone
Lugi Bassi als Don Giovanni bei der Uraufführung in Prag

Ende des 18. Jahrhunderts gehörten neben Paris auch Wien und Prag zu den Zentren der Mandolinenpflege, die dort ebenfalls vor allem im höfischen Leben einen beachtlichen Stellenwert einnahm. Auch im Opernorchester hatte und hat die Mandoline einen fixen Platz. Antonio Salieri setzte die Mandoline in seiner in Wien uraufgeführten Oper „Axur, Re d´Ormus“ (1788, Burgtheater) ein. Das wohl berühmteste Beispiel ist die Canzonetta aus Mozarts, bekanntlich 1787 in Prag uraufgeführter Oper „Don Giovanni“.  Auch in der, ein Jahr zuvor in Wien uraufgeführten Oper, „Una cosa rara“ von Vincente Martin y Soler kommt die Mandoline solistisch zum Einsatz. Man kann also in den 80er Jahren des 18. Jahrhunderts von einem regelrechten Modeinstrument sprechen.

Weiters schrieben u.a. Paisiello, Grétry, Beethoven, Hummel, Bizet, Verdi, Mussorgsky und Lehár für Mandoline. Für die Phase der „romantischen Mandoline“ seien hier lediglich ihre bedeutendsten Vertreter, Carlo Munier, Silvio Ranieri und vor allem der Komponist, Pädagoge, Virtuose und Instrumentenbauer Raffaele Calace (1863 – 1934) erwähnt.

Im 20. Jahrhundert erlebte die Mandoline eine Renaissance vor allem im Opern- und KonzertorchesterGustav Mahler, Hans Pfitzner, Josef Matthias Hauer, Arnold Schönberg, Anton von Webern, Alexander von Zemlinsky, Franz Schreker, Erich Wolfgang Korngold, Igor Strawinsky, Sergej Prokofjew, Ernst Krenek, Paul Dessau, Hans Gál, Armin Kaufmann, Hans Werner Henze, Gottfried von Einem, Alfred Schnittke und viele andere schrieben Werke für Mandoline bzw. setzten diese im Rahmen ihres Instrumentariums ein.

3. Dornröschenschlaf und Wiederentdeckung

Nach der Zeit der reisenden Virtuosen Vater und Sohn Bortolazzi (in Wien erstmals 1805) und Pietro Vimercati geriet die Mandoline ab ca. 1830 gänzlich in Vergessenheit – ein Schicksal, das sie mit der Gitarre teilte. Die langen Kantilenen der romantischen Musik passten nicht zum schnell verklingenden Ton der Zupfinstrumente; das Tremolo, welches später so charakteristisch und exzessiv in den „Mandolinenorchestern“ zum Einsatz kam, war noch nicht gebräuchlich. Einen Neubeginn fand die Mandoline in Form von Zusammenschlüssen zu sog. „circoli mandolinisti“ in Italien bzw. „Estudiantes“ in Spanien. Die Konzerte einer solchen spanischen „Studententruppe“ unter Denis Granada 1878 im Theater in der Josefstadt stießen beim Publikum auf begeisterte Resonanz und 1895 gründeten in Wien ansässige italienische Studenten und Arbeiter einen „circolo mandolinistico“. Die wachsende Präsenz der Mandoline zeigte sich bereits auf der Pariser Weltausstellung 1878, wo der Virtuose Giuseppe Silvestri sowie die genannten Estudiantes auftraten. Bei der Musik- und Theaterausstellung in Wien 1892 waren sogar Länder wie Großbritannien/Irland und Polen mit Mandolinen vertreten. Die größte Anzahl von entsprechenden Exponaten, nämlich 24 Mandolinen und vier Mandolen verschiedenster Bauart zeigten die Sammlungen Österreich-Ungarns (de Wit, Rothschild, Zach u.a.). Die stärkste Breitenwirkung für das Wiener Publikum brachte jedoch mit Sicherheit der  am 18. Mai 1895 vom Unternehmer Gabor Steiner im Wiener Prater eröffnete Vergnügungspark „Venedig in Wien„, wo neben vielen anderen Attraktionen ständig auch diverse Mandolinetruppen zu hören waren.

Aus dem Prospekt von „Venedig in Wien“

 

Erste Spuren einer größeren Verbreitung der Mandoline im deutschsprachigen Raum finden wir ab ca. 1895 in Form von Inseraten diverser Instrumentenbauer in der „Neuen musikalischen Presse“ und in einigen Zither-Zeitschriften. Als Zentrum für den Mandolinen-, ebenso wie für den Zitherbau, kann die Gegend von Markneukirchen im Vogtland bezeichnet werden. Auch in den Konzertprogrammen diverser Vortragsabende tauchen immer häufiger Mandolinenbeiträge auf.

Instrumentenwerkstätte und -inserate

 

Nach der Auflösung des „Circolo mandolinistico in Vienna“ ging das Orchester in die „Vereinigung der Mandolinenfreunde“ über, aus dem 1909 der „Erste Wiener Mandolinen-Orchesterverein“ unter Rudolf Schmidhuber hervorging, ein großer Klangkörper, der im Musikverein probte und Vorbildwirkung für viele andere Mandolinenorchester hatte. Weitere frühe Mandolinenvereine waren „Estudiantina“ (benannt nach dem genannten spanischen Ensemble, gegründet 1902, Leitung: W. Schwarz), Vindobona (1903, H. Grünzweig), Deutscher Mandolinenkreis (1904, C. Leitz).

4. Entwicklung zum Masseninstrument der Arbeiterbewegung

Der erste Arbeitermusikverein, innerhalb dessen sich in weiterer Folge auch eine eigene Mandolinensektion bildete, wurde 1900 im damals noch nicht zu Wien gehörenden Floridsdorf gegründet. Bereits in den letzten Jahren der Monarchie bestanden einige Arbeitermandolinenvereine, nach dem Ersten Weltkrieg kam es jedoch zu einer wahren Flut von Vereinsgründungen. Dies führte 1924 zur Bildung einer Dachorganisation, dem „Verband der Arbeitermandolinenvereine Österreichs“ (VAMÖ). Am 24. Mai 1925 fand im großen Konzerthaussaal das erste Verbandskonzert mit 340 Mitwirkenden statt. Am 31. Jänner 1926 wurde der erste Verbandstag abgehalten. Die Zahl der Mitgliedsvereine war seit der Gründung von 13 auf 25 angestiegen. Beim zweiten Verbandskonzert 1927 gab es bereits 500 (!) aktiv mitwirkende Musiker/innen. Ende 1929 gehörten dem VAMÖ bereits 81 Vereine an. Bald knüpfte man auch Kontakte zu ausländischen Arbeitermandolinenvereinen bzw. -verbänden: In Anspielung auf das internationale Kampflied der Arbeiterklasse lautete eine Überschrift in der VAMÖ-Zeitung: „Der Arbeiter-Mandolinen- und Gitarristen-Internationale entgegen!“ Ideologisch standen die meisten Arbeitermandolinenvereine im Spannungsfeld von proletarisch- revolutionärer Identität und nachholender Entwicklung der vorgegebenen bürgerlichen Leitkultur. Dies kommt besonders gut im Begriff von der „Geige des Arbeiter“ zum Ausdruck, den man der Mandoline zuwies. Die proletarischen Musikorganisationen verstanden ihr Tun durchaus als kulturellen Kampf zur Aneignung bürgerliche Wertvorstellungen. Dies lässt sich auch deutlich aus den Konzertprogrammen ablesen, welche hauptsächlich gängige Konzert- und Salonmusik der Zeit – übertragen auf das Instrumentarium des Zupforchesters – beinhalteten. Zwar wurde seitens der sozialdemokratischen Bildungspolitik – allen voran David Josef Bach und Paul A. Pisk – viel über den Wert eigenständiger Musikbildung theoretisiert. Doch während im Bereich des Musikrezeption u.a. mit den sog. „Arbeitersymphoniekonzerten“ hervorragendes  geleistet wurde (von Arbeitern mit Straßen- oder Berufskleidung besuchte Konzerte – gratis oder zu geringen Eintrittspreisen), blieb die aktive Musikausübung im Versuch verhaftet, den bürgerlichen Konzertbetrieb mit unzulänglichen Mitteln nachzubilden. Die entsprechenden kritischen Worte, die sporadisch auch in der Verbandszeitung zu finden waren, stießen bei der Programmgestaltung der einzelnen Vereine kaum auf Resonanz.

Bedeutendere Spuren hinterließ die Wiederentdeckung des fremdartig klingenden Instruments im Schaffen der wichtigsten Komponisten des beginnenden 20. Jahrhunderts. Schon Gustav Mahler hatte die Mandoline in seiner 7. und 8. Symphonie (1903, 1907) und im „Lied von der Erde“ (1911) eingesetzt – ebenso  wie Hans Pfitzner in seiner Oper „Palestrina“ (1915) oder Erich Wolfgang Korngold in den Opern „Violanta“ (1916) und „Die tote Stadt“ (1920) sowie Franz Schreker in der Pantomime „Geburtstag der Infantin“ (1908) und der Oper „Irrelohe“ (1919-22), um nur einige Beispiele zu nennen. Besonders auffällig ist aber die häufige Verwendung der Mandoline durch Vertreter der „Neuen Wiener Schule„. Arnold Schönberg setzte die Mandoline in folgenden Werken ein: Oratorium „Die Jakobsleiter“ (1917-22), Opern  „Von heute auf morgen“ (1929) und „Moses und Aron“ (1932); Serenade op. 24 (Schönbergs erste Zwölftonkomposition, 1920-23), Vier Stücke für gemischten Chor op. 27 (1925), Variationen für Orchester op. 31 (1926-28). Nach dem Musikwissenschaftler, Kritiker und Komponisten Hans Heinz Stuckenschmidt gehörte die Mandoline neben Klavier, Harmonium und Gitarre zum Inventar des Schönberg´schen Musikzimmers. Anton von Webern schrieb „Fünf Stücke für Orchester“ op. 10 (1913). Josef Matthias Hauer die Oper „Salambo“ (1929).

Es gab eine Vielzahl von Berührungspunkten zwischen den Vertretern der damaligen Moderne und der Arbeiterbewegung. Hier nur einige Beispiele: Sowohl Schönberg als auch Webern hatten in ihren frühen Jahren zum Gelderwerb Arbeiterchöre dirigiert und kamen so mit der Arbeitermusikkultur in Berührung. Ein Student Schönbergs, der in der Arbeitermusikbewegung eine wichtige Rolle spielte, war Paul A. Pisk. Anton von Webern und David Josef Bach, ein weiterer wichtiger Vertreter der Arbeiterbildung und Initiator der „Arbeitersymphoniekonzerte“  waren gemeinsam Vorstandsmitglieder der österreichischen Sektion der Internationalen Gesellschaft für Neue Musik (IGNM), die sich »Verein für neue Musik« nannte. Hanns Eisler unterrichtete während seiner Lehrjahre bei Schönberg Arbeiter im „Verein für volkstümliche Musikpflege“. Webern dirigierte anlässlich des 200. Arbeitersymphoniekonzertes am 17. und 18. April 1926 Mahlers „Achte“ mit 700 Mitwirkenden, darunter auch viele Mandolinisten/innen.

Sowohl der Arbeiterbewegung als auch der Entwicklung der Neuen Musik wird durch das Regime des Ständestaats und dann des Nationalsozialismus ein jähes Ende gesetzt. Der VAMÖ wurde aufgrund der Verordnung vom 12. Februar 1934 aufgelöst, nur wenige Mandolinenvereine blieben bestehen. Nach 1945 konstituierte sich der VAMÖ (heute: „Verband der Amateurmusiker und -vereine Österreichs“) neu, an die Massenbewegung der Zwischenkriegszeit konnte jedoch nicht wieder angeknüpft werden.

5. Lehre und Forschung

Der erste nachweisbare Mandolinenlehrer in Wien nach der klassischen Periode war der Schrammelmusiker Karl Emmerling. Er gab u.a. im Verlag Wesselka zwei Hefte mit Liedbearbeitungen zur Gitarre heraus und verstarb am 18.12.1922 im Alter von 55 Jahren. Die meisten Lehrer/innen für Mandoline stammten zunächst aus der Zither-Szene. In diesem Zusammenhang sind vor allem die Familien Slezak und Hladky hervorzuheben. Marianne Hladky, Gattin des Zitherspielers, -komponisten und Musikschulinhabers Vinzenz Hladky sen., spielte ebenfalls Zither und gab bereits seit ihrem 16. Lebensjahr Unterricht. Die steigende Nachfrage nach Mandolinenunterricht bewog sie, dieses Instrument bei Karl Emmerling zu erlernen. Nach ihrer Ausbildung war sie eine der beliebtesten Mandolinenlehrerinnen. Vinzenz Hladky jun. setzte diese Tradition fort. Er leitete den Mandolinen-Orchester-Verein „Polyhymnia“. Bis 1927 stand er dem Österreichischen Mandolinisten- und Gitarristen-Bund vor. 1955 erhielt er eine Lehrstelle für Mandoline, Mandola contra alto, Liuto und Kammermusik an der Wiener Musikhochschule. In seinem Verlag erschien eine große Anzahl von klassischen und neuen Originalwerken. Auch die Tochter des Zithervirtuosen und Musikschulinhabers Otto Slezak, Fanny, lernte anfangs bei Karl Emmerling. Sie war ab 1919 Konzertmeisterin des 1. Wiener Mandolinen-Orchester-Vereines und spielte bei der Uraufführung von Schönbergs Serenade op. 24 den Mandolinenpart. Sie wurde u.a. gefördert vom Musikwissenschaftler Josef Zuth, der im deutschen Sprachraum als Pionier der Erforschung alter Originalliteratur für Mandoline gelten kann. Er entdeckte und publizierte u.a. die Mandolinenhandschriften im Archiv der Gesellschaft der Musikfreunde, die später im Hladky-Verlag erschienen.  Auch Jakob Ortner, Professor für Gitarre an der Staatsakademie für Musik in Wien und seit 1927 Herausgeber der „Österreichischen Gitarrezeitschrift“, hat sich um die Erforschung alter Quellen verdient gemacht.

Ab Mitte der 1920er Jahre lässt sich eine zunehmende Verankerung der Mandoline im Unterrichtsangebot der Wiener Musiklehranstalten konstatieren. Die sozialdemokratische Arbeiterbewegung hatte seit 1919 ihr eigenes „Konservatorium für volkstümliche Musikpflege„, wo ca. 400 Schüler für (zunächst) je 12 Kronen monatlich neben den meisten Orchesterinstrumenten, Gesang und Theorie auch Mandoline lernen konnten. Das „Neue Wiener Konservatorium“ und das „Volkskonservatorium“ verzeichneten Ende der 20er Jahre je über 1000 Schüler. Im „Neuen Wiener Konservatorium“ gab von 1921 bis 1927 Karl Friedenthal, anschließend Rosa Schönbauer Mandolinenunterricht. Das Schulgeld betrug 55 Schilling für Mandoline und Gitarre und 100 Schilling für andere Instrumentalklassen. Am „Volkskonservatorium“ unterrichtete ab 1930 Richard Hradetzky Mandoline und Gitarre. Durch sogenannte „Zehnerklassen“ war der Unterricht dort besonders günstig. Neben den drei hier genannten Institutionen boten auch Arbeiter- und Volksbildungsvereine bzw. Volkshochschulen Mandolinenunterricht an. Nach dem 2. Weltkrieg wurde Mandoline von Prof. Vinzenz Hladky an der Musikakademie und von Maria Hinterberger an der Musikschule Ottakring unterrichtet. Ihr folgte Lieselotte Jancak (Zwickl), die das Fach auch am Konservatorium der Stadt Wien etablierte. Heute kann man Mandoline in Wien bei Mag. Franz Fellner in der Musikschule Ottakring und an der Konservatorium Wien Privatuniversität lernen. Auch die Volkshochschulen Penzing und Favoriten bieten Mandolinenunterricht an.

One thought on “Sechs Jahrhunderte Mandolinenmusik  

  1. Lieber Franz!
    Gratuliere zu diesem Artikel, der wirklich gelungen ist. leider werden nicht viele Mandolinisten in Wien sich damit auseinandersetzen und für die, die das sowieso wissen, ist das eine sehr gute Zusammenstellung, die wahnsinnig viel Arbeit erfordert hat. Wirklich interessant!
    Liebe Grüße
    Joschi

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